Lernen fürs Leben

Heilpädagogische Tagesstätte stärkt Kinder mit gezieltem Training
Das soziale Kompetenztraining leiten Angelika Schnabel (zweite von links) und Katrin Emsters (rechts)
Jeder darf sagen, wie es ihm geht, und die Gruppenregeln liegen zur Erinnerung in der Mitte. Das soziale Kompetenztraining leiten Angelika Schnabel (zweite von links) und Katrin Emsters (rechts). Foto: KJF/Winfried Karg
29. Januar 2018

Manchmal verlangt das Leben einfach zu viel. Zu viele Menschen reden, zu oft klingelt das Telefon, zu schnell soll man sich auf ständige Veränderungen einstellen. Das empfinden viele Menschen so. Und wer ein besonderes Problem hat, etwa eine autistische Erkrankung oder die Zappelphilipp-Krankheit ADHS, tut sich damit noch viel schwerer als alle anderen.

Genau solche Kinder gibt es in der KJF Heilpädagogischen Tagesstätte St. Josef in Kaufbeuren. "Sie brauchen sehr klare Strukturen und einen verlässlichen Rahmen", beschreibt Diplom-Psychologin Angelika Schnabel die nötigen Bedingungen, um diesen Kindern gerecht zu werden. Daher treffen sie sich einmal in der Woche mit Schnabel und ihrer Kollegin Katrin Emsters, und durchlaufen ein sehr durchdachtes, aufeinander aufbauendes Programm. "Soziales Kompetenztraining", nennen es die Fachleute. Damit es tatsächlich funktioniert und die Kinder gerne mitmachen wirkt das Ganze auf Außenstehende eher spielerisch, folgt aber einem ausgeklügelten Konzept, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht.

Es geht darum, dass die Kinder ihre eigenen Gefühle wahrnehmen, aber auch die der anderen. Ist mein Sitznachbar gerade fröhlich? Oder wütend? Warum ist das so? Wie sollte ich daher mit ihm umgehen? Hier sind es lauter Grundschüler, die das üben. Da das Konzept auf das ganze Schuljahr ausgelegt ist, können Angelika Schnabel und Katrin Emsters auch auf aktuelle Vorgänge wie etwa einen tollen Wochenendausflug oder einen Pausenhofkonflikt der Kinder eingehen. "Wir können viel üben, und das ist gut so. Schnelle Erfolge darf man da nicht erwarten", so Schnabel.

Am Anfang steht die Selbsteinschätzung: wie geht es dir heute? Es gibt eine Reihe von Karten mit einem Dinosaurier, der mal fröhlich hüpft, sich mal traurig verkriecht oder auch einfach aufrecht seiner Wege geht. Jedes Kind wählt den Dino aus, der seine aktuelle Gemütsverfassung am besten ausdrückt, und sagt dazu ein paar Worte. Dann wissen die anderen gleich, woran sie sind, und können auch daran lernen: ach so, dem geht es heute nicht gut, wegen dieser und jener Sache. Das hätte ich mir ja gleich denken können, als ich ihn gesehen habe.

Dann folgt ein Rollenspiel: Stell dir vor, du bist neu in einem Schwimmverein. Der Trainer sagt beim ersten Training: Wir haben ein neues Mitglied im Team – was sagst du selbst zu den anderen Kindern? Alle denken nach, versetzten sich in die Situation; die Antworten wirken sehr überlegt, jede einzelne wird dann in der Gruppe besprochen. War das gut? Wie wirkt das auf die anderen Kinder? Was wären mögliche Alternativen? Das Rollenspiel gefällt den Buben. Dann kommt die nächste Stufe: "War das jetzt einfach? Oder schwierig?" Angelika Schnabel stellt die Frage in den Raum. Zögerliche Reaktionen – der eine meint eher so, der andere anders. Und das ist in Ordnung: jeder soll hier offen sagen, wie es ihm geht, denn gerade das sollen die Kinder ja lernen: wie kann ich erkennen, wie der andere gerade drauf ist, und wie gehe ich dann angemessen mit ihm um?

Es folgt noch eine Übung, in der die Stärken der gemeinsamen Gruppenarbeit herausgearbeitet werden, und am Ende gibt es Punkte: wer hat sich eingebracht und mitgearbeitet, wer hat die anderen ausreden lassen? Je nach Punktestand dürfen sich dann einige aus einer Süßigkeitenkiste bedienen oder ein kleines Spielzeug nehmen.

An dieser Gruppe wird deutlich, wofür eine solche Heilpädagogische Tagesstätte wichtig ist. Denn hierher kommen Kinder, die eine gezielte, professionelle Förderung brauchen, damit sie jetzt und auch später besser mit dem Leben klarkommen. Das Sozialkompetenztraining ist eine von vielen Möglichkeiten, die es dort gibt, um die Kinder zu fördern. So lernen sie hier Verhaltensweisen und Dinge, die ihnen schwerfallen oder die sie noch gar nicht können und die ihnen Schule oder Elternhaus so nicht beibringen werden.