Fortbildung für Lehrkräfte in der KJF Klinik Sankt Elisabeth

„Die Kinderklinik Neuburg lädt ein“: auch in der zweiten Auflage ein voller Erfolg
Oberarzt Dr. Uwe Ermer war einer der Referenten für die Fortbildung für Lehrkräfte. Foto: Ulli Hamm
29. November 2018

Konnte das Team um Oberarzt Dr. Uwe Ermer die riesige Resonanz des letzten Jahres am unterrichtsfreien Buß- und Bettag noch toppen? – JA! Am vergangenen Mittwoch platzte der Vortragssaal des Ärztehauses I aus allen Nähten. Dieses Mal waren neben den Grundschullehrkräften auch Pädagogen anwesend, die die Sekundarstufe I unterrichten.

Obwohl die Lehrpläne und der Schulalltag bereits dicht gefüllt sind mit internen und externen Fortbildungsmöglichkeiten, hat das Angebot der Neuburger Kliniken für Kinder und Jugendliche am unterrichtsfreien Buß- und Bettag sehr viele Lehrerinnen und Lehrer unserer Region zwischen Neuburg und Schrobenhausen, Eichstätt, Ingolstadt und Donauwörth mobilisiert. In Neuburg werden jährlich rund 16.000 junge Patienten behandelt, davon circa 3.500 stationär und der andere Teil in ambulanten oder teilstationären Einrichtungen. Drei Themen standen im Zentrum der rund dreieinhalbstündigen Veranstaltung, bei denen die Sorge um ein Schulkind Lehrer und Ärzte in besonderer Weise verbindet.

Chronisch kranke Schüler

„Kinder und Jugendliche bringen nicht nur sich mit zum Unterricht, sondern auch ihre chronischen Erkrankungen“ – mit dieser Einleitung holte Oberarzt Dr. Uwe Ermer sein Publikum zu einem ebenso informativen wie faszinierenden Vortrag ab. Auch wenn die elterliche Sorge ein höchst nachvollziehbarer Grund ist, Lehrer in der Schule mit ins Boot zu nehmen: „Lehrer müssen gar nichts“, erläuterte der Oberarzt. „Allerdings „können sie“ – wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen durch eine Vereinbarung zwischen Lehrkraft, Schulleiter und Eltern konkret gemeinsam fixiert worden sind. Die Rahmenbedingungen für diese freiwillige Übernahme geben die Länder vor – auch Bayern.“ Danach wären beispielsweise medizinische Hilfsmaßnahmen, das Erinnern oder „Herrichten“ von Medikation und Mess-Instrumentarium, das Verabreichen, das Blutzucker-Messen, das Einstellen des Insulinpegels oder das Verabreichen einer subkutanen Injektion Inhalt einer solchen Vereinbarung.

Die Konsequenz für den Lehrer: Dann wären diese Handlungen keine medizinischen Maßnahmen mehr, die ein Lehrer nicht vornehmen darf, sondern im Rahmen dieser präzisen, exakten und einfach nachvollziehbaren Vereinbarung Aktivitäten, die ein „unterwiesener Laie“ ohne medizinisch-fachliche Ausbildung ausführen kann. Was allerdings jeden Menschen trifft, ist die allgemeine Hilfspflicht, die dem § 323 c des Strafgesetzbuchs (StGB) – der „unterlassenen Hilfeleistung“ zugrunde liegt: Danach ist es eine Bürgerpflicht, jemandem zu helfen, dem bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not ein Schaden droht, wenn diese Hilfe erforderlich ist und diese dem Helfenden den Umständen nach zuzumuten ist“. Und die Haftung für das eigene Tun? – „Der Versicherungsschutz schützt nicht nur den Schüler, sondern auch den Lehrer, der aktiv wird, wenn es einem chronisch kranken Schüler schlecht geht.

Sobald eine entsprechende Vereinbarung zwischen Lehrer, Schulleiter und Eltern des kranken Schülers unterschrieben wurde, greift die Unfallversicherung.“ In so einem Setting sind nur grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz Kriterien, die eine persönliche Haftung nach sich ziehen. Der Asthma-Erkrankung, der Epilepsie und der Anaphylaxie, einer schweren, akuten allergischen Reaktion, das den gesamten Organismus betrifft, sowie der Diabetes-Erkrankung widmete Dr. Uwe Ermer einen weiteren Teil seines Vortrags. Dabei gelang es ihm, mit der Vorführung von Hilfsmitteln oder Medikationen wie einem Peakflow-Messgerät zur Bestimmung des Lungenvolumens, einem Asthmaspray oder einem eines „Fastjekt-Notfallsets“ mit lebensrettendem Adrenalin bei einer lebensbedrohlichen allergischen Reaktion eine Brücke in den Schulalltag zu schlagen. Zum Abschluss seines Referats richtete Oberarzt Dr. Uwe Ermer seinen Dank an die teilnehmenden Lehrkräfte: „Ohne das Engagement der Lehrer im Schulalltag mit kranken Schülern wäre eine gleichberechtigte Teilhabe nicht möglich. In allen Bundesländern sind Sie es, die Inklusion mit Ihrem persönlichen Einsatz, ein Kind in der Klasse im Umgang mit seiner Krankheit zu unterstützen, möglich machen.“

Hilfe für die Seele

Auch Dr. Ulrike Wässerle und Iris Lang vom SPZ trugen sehr viel Wissenswertes und für das Publikum Neues zur Fortbildung bei. Welchen psychischen Belastungen ein Kind oder ein Jugendlicher in seinem Alltag ausgesetzt ist, könne jeder als Erwachsener in unserer schnelllebigen Welt nachvollziehen, begann Dr. Ulrike Wässerle ihren Vortrag. Beispielhaft stellte sie aus dem Spektrum der psychischen Störungen ADHS, Ess-Störungen und Schulangst vor. Die Oberärztin arbeitet in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychologie der Kliniken St. Elisabeth. In ihrem praxisorientierten Vortrag machte Dr. Ulrike Wässerle den Anwesenden Mut, bei Kindern mit einer seelischen Beeinträchtigung den Dialog zu suchen und im Gespräch zu bleiben. Beim Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom rät sie beispielsweise zu einer kindzentrierten Lehrer-Aktivität. „Sie können das Kind einbinden, ihm Sinnhaftigkeit vermitteln, hm Zeit geben. Nutzen Sie seine Kreativität und seinen Teamgeist, indem Sie das Problem gemeinsam auf verschiedenen Wegen lösen. Geben Sie ihm ebenso sprachliche Hilfen wie Verantwortung. Faszinieren Sie es mit einer multimedialen Begleitung des Unterrichtsgeschehens und geben Sie ihm klare, direkte und verbindliche Rückmeldungen – sowohl bei Lob als auch bei angemessener Kritik“. 

Schule für kranke Kinder

Sabine Kittenhofer von der Dr.-Walter-Asam-Schule leitet an den Kliniken St. Elisabeth die Schule für kranke Kinder. Sie erklärte auf sehr fundierte und pragmatische Weise die Herausforderungen und Chancen dieses Unterrichtsgeschehens. „Wir unterrichten in sechs Lerngruppen mit Kindern im Grundschulalter bis zum Abitur in Klassen von bis zu acht Schülern. Ziel des Unterrichts ist es, die Tagesstruktur zu erhalten, die Motivation und den Leistungswillen zu stärken sowie den Anschluss an die Stammschule zu halten. „Das Beobachten unserer Schüler und die enge Abstimmung mit den Pflegekräften auf Station, den Eltern oder auch den Lehrkräften in ihrer Stammschule geben einen Aufschluss darüber, wie sich das soziale Miteinander, das Lern- und das Arbeitsverhalten entwickeln.“ Auch wenn der Fächerkanon der Schule für Kranke auf die Kernfächer beschränkt ist, sieht Sabine Kittenhofer die große Chance, dass sich im gegenseitigen Miteinander Verständnis und gegenseitige Toleranz einüben lassen. In dieser "geschützten Umgebung", in der Konkurrenz und seelische Nöte der Stammschule ausgeblendet sind, gäbe es viele Möglichkeiten für einen Neustart, den man im Zusammenspiel mit den Kollegen an der Stammschule nutzen könnte, betonte die Pädagogin.

Kindesmisshandlung

Ein Thema, das leider immer wieder für Fassungslosigkeit und Schlagzeilen sorgt, erläuterte Iris Lang mit einem Beispiel aus der Praxis. Ärzte und Lehrer eint die Sorge nach der körperlichen und seelischen Unversehrtheit von Kinder und Jugendlichen ebenso wie die tatsächliche Möglichkeit, das Kind bzw. den Jugendlichen in einer Situation der Fürsorge zu erleben. Dabei ein Auge für Auffälligkeiten zu entwickeln und den schmalen Grad des Nachfragens ohne zu verdächtigen und des Beobachtens ohne zu dramatisieren zu gehen – dazu lud die Iris Lang, die zur Kinderschutzgruppe an den Kliniken St. Elisabeth gehört, die Vortragsteilnehmer ein. „Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Verstand ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.“ – mit diesem Zitat von Albert Einstein machte Iris Langen den Anwesenden Mut, wahrhaftig, aber achtsam zu agieren und lieber einmal zu viel als einmal zu wenig aktiv zu werden.