Wieder fit in den Alltag

Die Kinder fit machen im Umgang mit ihrer Krankheit - das ist das Ziel der Fachklinik "Prinzregent Luitpold" in Scheidegg. Ein Besuch von kna-Redakteur Dr. Bernd Buchner
Timo (links) und seine Schwester Sina mit ihrer Mutter vor der Prinz-Luitpold-Klinik in Schweidegg. Foto: kna-bild
Timo (links) und seine Schwester Sina mit ihrer Mutter vor der Prinz-Luitpold-Klinik in Schweidegg. Foto: kna-bild
20. Oktober 2016

"Ich lass' mich manchmal ablenken." Timo kann recht genau beschreiben, was ihm fehlt: Konzentration. Der Neunjährige aus Neuss leidet an ADS, das ist das Gegenteil des Zappelphilipp-Syndroms. Fachleute sprechen vom "Träumerchen". Hinzu kommen Neurodermitis und eine Matheschwäche. Timos Schwester Sina (8) wiederum hat Asthma, ist infektionsanfällig, vor allem in der Herbst- und Winterzeit. "Schnupfen, Husten, Würgen", nennt sie das in Kurzform. Die Anfälle können recht gefährlich werden.

Die Geschwister sind deshalb gemeinsam mit ihrer Mutter Sandra Hause (39) in der Fachklinik "Prinzregent Luitpold" in Scheidegg im Allgäu. Die rund 1.000 kleinen Patienten, die jährlich in der Einrichtung der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) behandelt werden, haben zumeist chronische Erkrankungen. "Wir müssen sie möglichst fit machen im Umgang mit der Erkrankung", sagt Klinikleiter Thomas Hermann. Die Kinder sollen lernen, ihren Alltag so gut zu bewältigen wie es nur geht.

Das Scheidegger Haus, einst als Tuberkuloseanstalt errichtet, ist heute auf psychosomatische Probleme sowie Übergewicht und Diabetes spezialisiert. "Das sind wachsende Bereiche", berichtet der 53-Jährige. Auch die Zahl der Migränepatienten nimmt zu. Viele Kinder und Jugendliche hätten Probleme, ihre Krankheit anzunehmen. Sie müssten "lernen, mit ihrem Rucksack, den sie zu tragen haben, durchs Leben zu gehen".

Was in der Rehabilitation ansteht, ist teils minutengenau aufgeschlüsselt, das Programm wird individuell zusammengestellt. Je nach Krankheit werden medizinische und psychosoziale Aspekte verbunden - so lernen etwa übergewichtige Kinder, wie sie sich gesund ernähren, und zugleich, wie sie mit Hänseleien umgehen. In Scheidegg sind zum Beispiel Musik- und Lichttherapie im Angebot, bei den Älteren ist Berufsberatung angesagt.

Den Umgang mit Krankheiten kindgerecht erklären

So weit ist es bei Timo noch nicht. Er lernt beim sogenannten Neuro-Feedback seine Aufmerksamkeit zu fokussieren. Mit Elektroden am Kopf kann er ein Symbol am Rechner, etwa eine Sonne oder einen Storch, nur dann bewegen, wenn er ganz konzentriert ist. Sina bläst derweil in ein "Peakflow"-Gerät, das ihr Lungenvolumen misst. Sie weiß jetzt, was zu tun ist, wenn sie einen Asthmaanfall hat: nach vorn auf den Stuhl rutschen, in den Kutschersitz, damit die Atemwege wieder frei werden.

"Sie kriegen das kindgerecht erklärt", sagt Sandra, die in Scheidegg selbst an Schulungen teilnimmt, um Timo und Sina im Alltag besser helfen zu können. Sind die Kinder unter zehn, kann ein Elternteil sie begleiten. Ältere kommen allein in die Rehabilitation, werden in Wohngruppen untergebracht. Der Aufenthalt dauert je nach Indikation vier bis sechs Wochen.

Bei Fettleibigkeit sind sechs Wochen die Regel. Immer mehr Kinder und Jugendliche haben Übergewicht. Ironie der Geschichte: Früher schickte man sie zum Aufpäppeln in die Berge, heute fürs Gegenteil. Nicht "maximale Gewichtsabnahme" sei jedoch das Ziel, so Klinikleiter Hermann, sondern Vermittlung des Rüstzeugs, "um im Alltag zu bestehen". In Scheidegg lernen die Betroffenen viel über gesundes Essen, treiben Sport, gehen einkaufen, kochen und backen in der Lehrküche.

Unterdessen gehen die Reha-Antragszahlen deutlich zurück. Als Grund vermutet Hermann den Leistungsdruck in den Schulen - viele Eltern wollen ihre kranken Kinder nicht aus dem Unterricht nehmen. "Das Schulthema ist ganz wichtig", weiß der Kinderarzt. Was viele nicht wissen: In Bayern gibt es an jeder Rehaklinik eine staatliche Schule, um den versäumten Stoff in Grenzen zu halten. "Das macht Spaß", sagt Sina über die Deutsch- und Mathestunden. Zurück in Neuss, geht es aber gleich wieder los, sie muss einen Test nachschreiben.

Noch aber sind die Hauses im Allgäu, genießen auch den spirituellen Ansatz der KJF-Klinik. In der katholischen Einrichtung steht ein Pastoralreferent zur Verfügung, der Kindergottesdienste gestaltet und auch als Seelsorger für die rund 100 Mitarbeiter bereitsteht. "Das Christliche zieht sich durch das ganze Haus", schildert Klinikchef Hermann. "Darauf können wir stolz sein." (kna)

 

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