Wenn die Schule wieder Spaß macht

Zehn Jahre Praxisklasse Durach: Vermittlungsquote der Schüler liegt bei 80 Prozent
So macht Schule Spaß. Die Schüler der Praxisklasse Durach erlernen in der Werkstatt des Kempodiums Kempten, wie man Metall bearbeitet. Foto: KJF/Lorenz-Munkler
14. Februar 2018

Jessica, Chris, Vanessa, und Samuel blicken gebannt in die Flamme des Schweißgeräts, mit dem Kunstschmied Stefan Mexner geschickt zwei dünne gebogene Eisenstangen zusammenlötet. Dann dürfen sie selbst ran. Die Jungs und Mädels ziehen ihre Schutzbrillen an und machen sich ans Werk. Mit sprichwörtlichem Feuereifer sind sie bei der Sache und haben sichtlich Freude an dieser Art von Schul-Unterricht.

Bis vor kurzem hat allein das Wort Schule bei diesen Jugendlichen eher zu Blockaden als zu Begeisterung geführt. Das hat sich geändert. Wir befinden uns beim Projektunterricht der Praxisklasse der Mittelschule Durach. Die Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren haben mindestens zweimal, manchmal auch dreimal pro Woche Praxisunterricht: heute in der Werkstatt des Kempodiums Kempten. Dort zeigt Ihnen Kunstschmied Stefan Mexner, wie man Metall bearbeiten kann. An anderen Tagen arbeiten die Jugendlichen mit Holz und Ton oder lernen kochen und nähen. „In unserer Praxisklasse, die es seit zehn Jahren in Durach gibt, bekommen Schüler mit Leistungsrückständen so vielfältige Einblicke in die moderne Berufswelt“, berichtet Diplompädagogin Christina Flanz, die zusammen mit der Klassenlehrerin Manuela Thomas zehn Schüler aus dem gesamten nördlichen Oberallgäu auf ihrem Weg zu einem erfolgreichen Schulabschluss begleitet.

Es sind Jugendliche, die aufgrund von Krisen der Vergangenheit Lücken im Lernstoff haben und damit keinen vernünftigen Schulabschluss erreichen können. So wie der 14-jährige Marco, ein ehemals bekennender Schulverweigerer, der die 8. Klasse wiederholen musste und dann im Zwischenzeugnis wieder vier Fünfen hatte. Seine Mutter hat von der Praxisklasse erfahren und hier eine letzte Chance für ihren Sohn gesehen, einen erfolgreichen Abschluss der Mittelschule zu erlangen. „Unser Ziel ist es, diese Schülern durch eine spezifische Förderung mit hohen berufsbezogenen Praxis-Anteilen zu einer positiven Lern- und Arbeitshaltung zu führen“, erklärt Christina Flanz.

Das sieht dann so aus: Die Praxisklassen haben nur etwa 13 Schüler, eine Lehrkraft und eine Sozialpädagogin. Finanziert wird die in Durach vom europäischen Sozialfonds unter Trägerschaft der KJF Augsburg. Eher theoretische Unterrichtsfächer werden komprimiert, dafür wird ein starker Fokus auf die praktischen Fächer Werken und Hauswirtschaft gelegt sowie auf den Umgang mit dem Computer. Diesen Fächern wird dreimal so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie in einer normalen Mittelschule. Dazu kommt das Fach ETSL (Ethik und Soziales Lernen), bei dem es in erster Linie darum geht, Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen zu schulen und zu stärken. Das Erreichen des Mittelschulabschlusses (früher Hauptschulabschluss) wird dann mit Bestehen einer Prüfung erreicht.

Die Klasse wird von den Schülern begeistert angenommen, berichten die Pädagoginnen. Wie von der 16-jährigen Jessica, die schon ihr zweites Jahr in der Praxisklasse verbringt: „Das hier ist voll abwechselnd und macht Spaß. Aufgrund der kleinen Klassenstärke – im Moment sind wir nur zehn – lernst du deine Mitschüler viel besser kennen und wächst als Team zusammen. Die Pflichtpraktika in heimischen Betrieben, die wir machen müssen, sind toll. Ich habe jedenfalls meinen Traumberuf auf diesem Weg gefunden. Sobald ich meinen Mittelschulabschluss habe, werde ich auf die Hauswirtschaftsschule gehen.“ Und ihr „Kollege“ Chris (15), der ebenfalls schon im zweiten Jahr in der Praxisklasse ist, ergänzt: „Ich habe wieder Freude an der Schule. Meine Leistungen sind viel besser als früher und ich habe Erfolgserlebnisse“. Nach dem Schulabschluss will Chris Verkäufer werden und hat schon die Zusage für eine Lehrstelle in der Tasche. Bei rund 80 Prozent liegt die Vermittlungsquote von Schülern der Praxisklassen – und das seit zehn Jahren. Wie Christina Flanz berichtet erreichen fast alle den Schulabschluss und finden einen Ausbildungsplatz.

Wer sich für die Praxisklasse interessiert kann sich an die Mittelschule Durach wenden (www.vs-durach.de) Tel.0831/56416-0. Ansprechpartner sind Christina Flanz und Manuela Thomas. Am 3. März 2018 wird sich die Duracher Praxisklasse außerdem auf der Allgäuer Lehrstellenbörse präsentieren.